Schloss Ardeck im rheinhessischen Gau-Algesheim

Wer vom Gau-Algesheimer Marktplatz mit Rathaus und Bürgerhaus über den Kreuzhof, die Schlossgasse oder durch den Kirchgarten zum Schloss Ardeck kommt, sieht auf den ersten Blick den Eingang zum Museum im Erdgeschoss des mehrgeschossigen Gebäudes. Ein Kleinod ist nach der Renovierung des Hauses und der Gestaltung des Umfeldes aus dem ehemaligen Amtssitz von Kurmainz entstanden.

Das "Schloss", wie die Gau-Algesheimer die übrig gebliebenen Teile der alten kurmainzer Burg nennen, war als Ort des Rheinhessischen Fahrradmuseums von Anfang an im Blickpunkt des Initiators Prof. Heinz-Egon Rösch und des damaligen Vorsitzenden des Radsportvereins 1898 e.V. Gau-Algesheim. Die Renovierung des Gebäudes und die Entwicklung der Idee "Fahrradmuseum" liefen parallel, so dass am 20. April 2002, vier Wochen nach Übergabe des Schlosses an die Bürger der Stadt Gau-Algesheim, das Rheinhessische Fahrradmuseum eröffnet werden konnte.


Der kurmainzer Amtssitz

Das ehemalige kurmainzische Amts- und Wasserschloß wird erstmals 1112 als „Moseburg“ erwähnt. Im Mittelalter „residiert“ ein „Amtmann“, der ab 1417 auch zeitweise das Amt des „Landschreibers“ in Personalunion ausübt. Ab dem 16. Jahrhundert Sitz eines Amtskellers. Zeitweise Aufenthaltsort Mainzer Erzbischöfe. Der Ausbau zum „Schloss“ erfolgt nach und nach, besonders im 15. Jahrhundert gefördert von Kurfürst-Erzbischof Dietrich Schenk von Erbach, der sich mehrfach im Schloss aufhält und dort urkundet.

Nachdem sich die Algesheimer im Mai 1525 zusammen mit den Bingern als einzige Linksrheiner der Rheingauer „Empörung“ angeschlossen hatten, ordnete der Mainzer Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1527 die Lostrennung Gau-Algesheims vom Rheingau an. Damit ging die Bedeutung von Burg und Stadt Algesheim zurück. Es bildete von da an ein kurmainzisches Amt zusammen mit dem der Residenzstadt näherliegenden Nieder-Olm.

In der französischen Zeit (1792/1797 - 1815) lässt die Verwaltung 1803 die wehrhaften Teile abbrechen. Die bewohnbaren Gebäudeteile werden im Zuge der Nationalgüterversteigerung von den Familien Sala, Bob, von Horix und Appiano, die auf Seiten der neuen Ordnung stehen, erworben.

1828 wird für die nächsten Jahrzehnte der Steuereinnehmer Ludwig Jonas Besitzer des Gebäudes und seiner Umgebung, denen er eine schlossähnliche Gestalt zu geben versucht. Um die Jahrhundertwende ist das ehemals Jonas'sche Anwesen im Gespräch für eine kommunale Nutzung, wird 1894 jedoch von dem Banquier Franz-Josef Hassemer (* 30. Oktober 1840 in Gau-Algesheim; † 27. Dezember 1909 in Kreuznach), seit 1870 Inhaber der römischen Banca Nationale, gekauft und modernisiert.

6. Oktober 1911: die Witwe von Franz-Josef Hassemer (Bevollmächtigter Jacob Alexander Weiner, Kreuznach, Vertreter der Königsbacher Brauerei A.G., Koblenz), verkauft das Schloss an den Grafen Hermann von Bocholtz-Meschede (Bevollmächtigter Gustav Rading, Wesel).

25. Juli 1917: Nach dem Tod von Graf Hermann von Bocholtz-Meschede am 21. Juli 1916 erwirbt der Kaufmann Gustav Rading aus dem niederbergischen Vohwinkel das Schloss im Wege einer Zwangsversteigerung. Am 23. Juli 1924 beschließt der Stadtrat, Schloss Ardeck von dem bisherigen Besitzer Gustav Rading zu erwerben.

15. Juli 1927: Die am 1. September 1920 gegründete und bislang in der Volksschule untergebrachte Landwirtschaftsschule wird ins Schloss Ardeck und einen Anbau verlegt. Zwischen 1924 und 1948 dienen Räume im Schloss Ardeck auch als Mietwohnungen.

20. März 1945: US-Truppen besetzen Stadt und Schloss und quartieren die Kommandatur im Schloss ein.

Juli 1945: Die französische Besatzung errichtet im Schloss zunächst ein Militär- und wenig später ein Jugendgefängnis, das Centre de Rééducation Gau Algesheim „Schloss Ardeck“.

1. April 1948: Auf Anordnung der Landesregierung Rheinland-Pfalz und im Einverständnis mit der französischen Militärregierung in Baden-Baden wird die Landwirtschaftsschule aufgelöst und im Schloss Ardeck ein Umerziehungsheim (ab 1949 „Landeserziehungsheim Schloss Ardeck“) errichtet.

1968: Das Landeserziehungsheim wird von Gau-Algesheim nach Ingelheim verlegt.

16. Juli 1969: Die Stadtverwaltung verlegt ihren Sitz vom Rathaus am Marktplatz ins Schloss Ardeck.

23. April 1972: Nach der Wahl des Verbandsgemeinderates und der Wahl vo Heinrich Hessel zum hauptamtlichen Bürgermeister (4. August 1972) nimmt die neu gegründete Verbandsgemeinde ihren Sitz im Schloss Ardeck.

4. Januar 1996: Auszug der Verbandsgemeinde aus dem Schloss und Übergabe des Schlüssels an die Stadt. Mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz renoviert und am 16. April 2002 als „Bürgerschloss“ mit einem Festsaal sowie Räumlichkeiten für die Vereine der Stadt und in einem Anbau für den städtischen Kindergarten eingeweiht.

Am 21. April 2002 öffnet im Erdgeschoss das „Rheinhessische Fahrradmuseum“ seine Pforten. Am ersten Tag strömen über 1.000 Besucher in die Räume des Museums.

Am 24. Juli 2004 weiht der Innen- und Sportminister Walter Zuber den Platz vor dem Schloss Ardeck ein. Nach Plänen der Landschaftsarchitektin Andrea Sliwka aus Büttelborn sind die Flächen vor und hinter dem Schloss sowie zu der benachbarten Schloss-Ardeck-Grundschule so gestaltet worden, dass sich dem Blick von der Badstube und der Schlossgasse her eine große Freifläche öffnet, die nur durch ein unterschiedliches Oberflächenniveau und eine Baumgruppe strukturiert wird. Eine Fußgängerrampe zwischen dem Gebäude und dem Spielplatz des städtischen Kindergarten verbindet das Schlossumfeld mit der Appenheimer Straße, an der die Halle des Turnvereins 1880 und die Christian-Erbach-Schule liegen.

ausführlich: Erich Hinkel, Schloss Ardeck und seine bewegte Geschichte, 2. Auflage, Bruchsal 2012, Schriften zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes, Band 52/2010.

Verbreitung des Mainzer Rades