Die Region Rheinhessen

Ob Menschen sich als Teil einer Gemeinde, eines Staates, einer Nation oder (lang ist‘s her) der Christianitas begreifen, ob sie sich zunehmend als Individuen sehen, die für ihr Leben und ihr Wohlergehen selbst Verantwortung übernehmen können und müssen - menschliches Leben ist immer eine gesellschaftliche, d.h. auch geschichtliche, ökonomische und kulturelle Veranstaltung. Da hat Karl Marx aus Trier schon recht: Der Mensch ist kein „außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen.“

Die Menschen am Rhein haben ein Talent, diesem menschlichen Zug ein regionales und kulturelles Gesicht zu geben. Carl Zuckmayer, begabt, Empfindungen und einem spezifischen Lebensgefühl sprachlich-literarischen Ausdruck zu verleihen, hat in seiner Autobiographie „Als wär's ein Stück von mir“ die rheinhessische Landschaft und ihre Menschen so beschrieben: "Meine Heimat ist Rheinhessen, und das heißt, daß sie landschaftlich nichts mit dem zu tun hat, was man unter Rhein-Romantik versteht. Diese Gegend zeigt in ihrer starken, besonnenen Fruchtbarkeit ein äußerst einfaches, nüchternes Gepräge. Die Rebstöcke stehen ordentlich und brav, die Obstbäume in Reihen gegliedert, alles Land ist Nutzland, und nur der rötliche Hautglanz der Erde verrät etwas von ihrem heimlichen Heißblut, von ihrem gezügelten Temperament ... 

Bescheidene Haufendörfer, manche mit einer hübschen alten Kirche und ein paar Fachwerkhäusern, die meisten aus schlichtem, graugelben Backstein gebaut, ins Gefäll der Wingerte eingeschmiegt, an der Rheinstrecke zwischen Mainz und Worms; das weithin schwingende, wellige oder buckelige Ackerland um den Donnersberg, der auch nur ein Hügel ist, und nach dem Kreisstädtchen Alzey hinüber; das flache Gelände der Obstkulturen, wie sich's linksrheinisch von der Flußbiegung bei Mainz bis fast zur Nahemündung erstreckt - auch Ingelheim mit seiner Kaiserpfalz, und das lustige Rochuskapellchen über den Schieferdächern von Bingen - die sandigen Spargelfelder, die gleichmäßige Breite des hier nur von ein paar Werthen durchinselten Stroms - die geschäftigen Städte, denen trotz ihrer uralten Geschichte und ihrer Bauwerke nichts Museales, keine Touristenlockung anhängt: in welcher anderen Landschaft tut eine reich besiedelte, üppig treibende Natur ihr Bild so still und behutsam dar? Die Phantasie kann es mit Römerheeren bevölkern, mit keltischen und fränkischen Stammeshorden, mit Heiden und Heiligen, mit mittelalterlichen Kaiserzügen, mit barockem Kurfürstenprunk, mit marodierenden Schweden und Kosaken, mit französischen Raub-, Revolutions- und Besatzungstruppen, mit allen Gestalten und aller Wirrsal zweitausendjähriger Historie. Das Gesicht der Landschaft bleibt gelassen und anspruchslos."

Die Geburtsstunde Rheinhessens

Am 12. Juli 1816 übernahm der in Darmstadt residierende hessische Großherzog Ludwig I. in Mainz auf Grund eines Staatsvertrags zwischen Preußen, Osterreich und Hessen im Rahmen des Wiener Kongresses den nördlichen Teil des Départements Donnersberg: Rheinhessen in seiner heutigen Form war geboren. Die Pfalz wurde Bayern zugeschlagen. In der Besitzergreifungsurkunde garantierte der Großherzog: „Nur besondere Rücksichten des allgemeinen Besten werden uns zu Änderungen bestehender und durch Erfahrung erprobter Einrichtungen bewegen; die Rechte des Feudalsystems, die Zehnten und Fronden bleiben in diesem Landesteil unterdrückt. Das wahrhaft Gute, was Aufklärung und Zeitverhältnisse herbeigeführt, wird ferner bestehen.“ Das sagte er mit gutem Grund zu. Die Mehrheit der linksrheinischen Bevölkerung war nämlich nicht mehr bereit, die französischen Errungenschaften aufzugeben. Sie wollte die auf einer modernen Eigentumsordnung basierende Sozialstruktur, in der der Adel keine Rolle mehr spielte, keinesfalls aufgeben. (nach: Volker Gallé und regionet)


Leseförderung in Rheinhessen

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mehr davon: Rheihessisch Gebabbel bei rhoihessewoi

Inngesperrt

Wer nit kann, was er will, muss wolle, was er kann. Wer nit derf, was er kann, kann kenne, was er will, er muss wolle, was er derf! (Kurt Sigel)

Museen in der Nachbarschaft


Ein Pfälzer zum Beschluss: Ernst Bloch (1885 - 1977)

"Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat." (Das Prinzip Hoffnung, 1954-1959)